9. Dezember 2011

Nebensächliche Wachteln, oder: (Tisch)Gespräche mit dem kleinen Katholiken im Hause Peppinelli

Es gab Wachteln. Ich hab da ein Rezept gefunden, dass ich schon länger mal nachkochen wollte. Oder vielleicht ein wenig abwandeln. Oder wie auch immer. Als die vier kleinen gerupften Vögelchen dann nackt vor mir liegen, verspüre ich für einen kurzen Moment Mitleid. Sagen wir, für eine Nanosekunde. Dann hole ich das Beil, welches viermal so groß ist wie eine Wachtel aus der Schublade und hacke sämtliche Flügel und Beine ab. Als ich bei allen einen sauberen Brustschnitt an den verbliebenen Rümpfen mache und die Eingeweide herausreiße entsteht in meinem Kopf die Schlagzeile “Doktor Peppinella Lecter: ich genoss ihre Leiber im eigenen Sud an hausgemachten Tagliolini”.

Das ist keine gute Einleitung für diesen christlichen Post-Titel, oder?

Also noch mal von vorne: Gestern war Maria Verkündigung. An diesem Tag stellen wir katholischen Spießer, wie sich das traditionell gehört, die Krippe auf. Am Vorabend – beim Wachtelessen – sprechen wir darüber.

(Ich denke darüber nach, dass ich DAS KIND bis zum Vierundzwanzigsten verstecken muss, und dass ich mir wohl einen Zettel schreiben werde, auf dem ich notiere, wo ich es versteckt habe. Und, dass ich am Tag X sowohl das Versteck des Kindes, als auch des Zettel vergessen haben werde.)

Als wir die Krippe aufbauen, nehme ich die Drei Könige, und postiere sie in einer anderen Ecke des Raumes, denn die haben ja noch zwanzig Tage Zeit, bis sie den hellen Stern sehen (Fröbelstern, 3. Klasse, verknittertes Pergamentpapier. Wird mit Tesafilm am Dach der Krippe befestigt werden). Der kleine Peppinello stellt Maria und Josef auf die Fensterbank. Ohne den Eisbären, den sie sonst immer mitschleppen. Dann kommt er zu mir rüber und fragt: “Wo ist Jesus jetzt?” ich antworte: “Noch nicht geboren.”

(Und denke an den Zettel in der Küchenschublade, und Jesus im Wäscheschrank unter den Bettlaken.)

Darauf sagt er: “Voll blöd, der stirbt ja sowieso!” “Wie bitte?” “Ja”, erklärt er, “das ist alles dieser Pondses Pilates schuld.”

(Und ich denke, aha, der hat das erfunden. Der hat als Statthalter auch noch nebenher Volkshochschulkurse für Dehnübungen in den Wechseljahren gegeben…)

“Weißt du, was die noch gemacht haben?” sagt er nun entrüstet, “die haben ihm so Nägel durch die Hände und Füße gehämmert.” Er legt demonstrativ eine Hand auf den Tisch und malträtiert sie mit der anderen Faust. “So. Außerdem haben die ihm dann noch so einen Stacheldraht in den Kopf gedrückt.” Er hebt beide Arme und hämmert sich mit gespreizten Fingern mehrfach an Stirn und Schläfen.

(Und ich denke, Stacheldraht, ob das auch der Pilates im Jahr 33 erfunden hat?)

Ich will vom Thema weg. Also frage ich: “Hör’ mal, weißt du denn noch, was die Drei Könige dem Kind mitbringen?” Der kleine Peppinello überlegt kurz.

“Gold,” antwortet er dann. “Und was noch?”, will ich wissen. Er überlegt etwas länger. Schließlich sagt er: “WeiNrauch.”

Und ich sage: “Weihrauch”

Und er sagt: “Sag ich doch WeiNrauch.”

Und ich sage wieder: “Weihrauch, ohne N. Das hat mit Wein nichts zu tun”.

Daraufhin erwidert er: “Aber bei der Schulmesse wird manchen davon schlecht. Und dann müssen sie weinen.”

(Und ich denke, ok, WeinNrauch…eine neue synthetische Modedroge, die Weinkrämpfe hervorruft. Hat bestimmt auch der Pilates…… ach neee, die kamen ja aus dem Morgenland. Kein Wunder, dass sie Drogen im Gepäck hatten)

“Na gut, jetzt haben wir zwei Sachen”, stelle ich fest, “was bringen sie denn noch mit?” Wie aus der Pistole geschossen antwortet der kleine Katholik:

“Möhre!”

(Und ich lache mich innerlich kaputt, und stelle mir vor, wie der Mohr im Stall zu Bethlehem ein Bund Möhren aus einer goldenen Truhe hervorzaubert. Bio-Möhren mit Grün selbstredend..)

Nun schalte ich den Klugscheiß-Modus an. Ich halte einen längeren Vortrag über Myrrhe und Weihrauch (ohne N). Der kleine Peppinello verlässt das Zimmer. Na gut. Ich hör ihn in seinem Zimmer kramen. Als er wieder reinkommt versteckt er irgendwas hinter seinem Rücken. Ich achte nicht weiter drauf.

Am späten Abend entdecke ich, dass Maria und Josef einen neuen Begleiter haben. Nachdem sie nun den Eisbären losgeworden sind, folgt ihnen eine kleine Lego Figur. Im schwarzen Cape mit hochgestelltem Kragen. Mit schwarzem Helm. Und Gesichtsmaske. Und einem kleinen roten Laserschwert. In der leeren Krippe liegt ein weiteres winziges Laserschwert.

(Und ich weiß schon, dass Lord Vader sich in der Heiligen Nacht über DAS KIND beugen, und mit schnarrender Stimme. “Ich bin dein Vater, Jesus”, sagen wird.)

Und: ich habe das Wachtelrezept nicht eingestellt. Und auch meine zerschossene Blogroll noch nicht repariert. Ich gelobe Besserung. Bei Christus.

7. Dezember 2011

Und….

…alles nur weil ich diesen blöden Button erstellen musste.

Der Blog-Super-Gau

Was bin ich blöd.

Scheiß-automatischer Vorlagendesigner.

Und immer mit dem Finger am Klicker.

Blogroll weg.

Menno.

Und wieso kriege ich den Mist nicht ins Top-Menu?

Ich geb’ für heute auf.

Menno.

6. Dezember 2011

Kalabrien für Anfänger: La Stroncatura, oder: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Nudeln für Arme.

Aber zum Glück kann man sich ja belehren lassen. Ich erwähnte glaube ich schon, dass wir in diesem Jahr öfter in Kalabrien waren, oder? Im Land meines Vaters. La Patria sozusagen. Für mich aber völlig fremd (eine der nördlichsten Provinzen Afrikas – Kalafrika) Ich war als Kind dort. Als Halbwüchsige. Kenn mich also wenig bis gar nicht aus. Mein Vater lebt ganz unten, fast an der Straße von Messina. “Lo Stretto” nennen sie die Meerenge. Das Dorf liegt etwas erhöht, 400 Meter über dem Meeresspiegel, will heißen, man kann es im Sommer einigermaßen aushalten, wohingegen man unten in Strandnähe im eigenen Saft bei Temperaturen über 40 Grad schmort.

So um die 100 Einwohner hat das Dorf Melicucca, die meisten sind alt. Landflucht. Viele Häuser stehen leer und verrotten. Riesige Areale mit uralten Olivenbäumen werden nicht bestellt, weil die Besitzer im Norden, in Amerika, Australien oder sonst wo hin sind. Es gibt zwei, drei kleine Einkaufsläden, 4 Bars, einen Frisör, eine Metzgerin.

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An der Bottega hängt ein handbeschriebenes Pappschild im Fenster: “qui stroncatura in vendita”. Nie gehört. Kann alles sein. Fleisch, Fisch, wer weiß. Wir gehen rein. Kaufen Brot und lassen uns Capicollo schneiden, probieren Ricotta. Das geheimnisvolle “Stroncatura” finde ich weder in den Fässern mit eingesalzenem Fisch, noch bei den Schnäpsen. Dann sehe ich hinter der Ladentheke, beim Brot etwas in braunes Papier verpacktes.

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Das ist Stroncatura. Wird so ausgesprochen “schronkature”, wobei im kalabrischen das “r” nicht gerollt, sondern in diesem Fall wie das englische “r” gesprochen wird. Stroncatura gibt es nur noch rund um Gioia Tauro. Die Nudeln sind dunkel und haben eine raue Oberfläche. Sie kochen länger als normal. das weiß ich natürlich alles nicht (und mein Vater auch nicht, dazu aber später mehr…). Die nette Besitzerin des kleinen Ladens erklärt, das diese Art Pasta früher aus den “avanzi” (den Resten) nach dem Mahlen des Hartweizens hergestellt wurde, übriggebliebenes verstreutes Mehl mit Schalen und Wasser. Billiges für die Landbevölkerung. Auch das Condimento besteht aus Zutaten, die in Kalabrien selbst die Ärmsten da hatten. “Piatto antico poverissimo”, sagt die nette Signora in der Bottega, und erklärt mir das Rezept:

Zutaten für 4 Personen:

  • 400g Stroncatura (Bavette oder Fettuccine gehen auch, falls du nicht gerade in der Gegend von Gioia Tauro bist)
  • 2 kleingehackte Knoblauchzehen
  • 8 gesalzene Sardellenfilets
  • 6 vollreife gewürfelte Tomaten
  • Peperoncino oder Olio santo
  • Salz und Pfeffer
  • Olivenöl
  • 1 Bund glatte Petersilie
  • 8 EL Olivenöl

In einer hohen Pfanne brate Knoblauch und die Sardellenfilets in reichlich Olivenöl an (kleine Flamme). Die Sardellenfilets zerdrücke ich dabei. Dann gebe ich die Tomaten hinzu und lasse den Sugo ein paar Minuten bei großer Hitze einkochen. In einer zweiten Pfanne röste ich die Semmelbrösel in etwas Olivenöl goldgelb und gebe sie dann zum Sardellensugo. Ich würze mit Salz und Pfeffer. Auch die Petersilie rühre ich unter. Nun entsteht eine sämige Sauce, die ich mit Peperoncino (scharf) abschmecke. In der Zwischenzeit kocht auch schon das Nudelwasser. Ich werfe die Stroncatura rein und warte. Die Pasta kocht tatsächlich 18 Minuten. Boah.

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Apropos: Mein Vater kennt das Rezept wohl nicht, was mir komisch vorkommt, denn ansonsten weiß er alles. Und mehr.  So schmeißt er zum Beispiel Pasta nicht in kochendes Wasser. Nein, er setzt sie kalt auf…..Als ich das sehe, schreie ich entsetzt aber: Er guckt nur verständnislos. Jemand der “richtig viel Ahnung hat”, hat ihm gesagt, dass das so geht. ich frage mich bis heute, wer so viel Ahnung hat. Keine Ahnung. Büffelmozzarella kommt eigentlich nicht aus Kampanien, denn die Büffel grasten in alter Zeit in ganz Kalabrien. Das gleiche gilt für die San Marzano-Tomaten. Vielleicht müssten die in Melicucca-Tomaten umbenannt werden. Ach ja und Wäsche, die wird wie folgt gewaschen: Alles zusammen in die Maschine. Bunt, schwarz, weiß, Wolle, Tischwäsche, Badetücher, Seidenblusen, Cordhosen. Programmschalter auf 50 Grad/Synthetik und gut. Ja. Ich habe nämlich gar keine Ahnung. Außerdem kommt überall Tomatenmark rein. Also natürlich nicht in die Waschmaschine, sondern ins Essen. In jedes Essen. Wegen der Farbgebung. Ja.

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Die Nudeln haben noch Biss. Ich gieße sie ab und gebe sie dann zum Sugo in die Pfanne. Das muss noch mal kurz durchziehen. Und was soll ich dir sagen: Arme-Leute-Essen mundet ganz vorzüglich. Ich sollte ein paar Wagenladungen Stroncatura importieren. Weihnachten kommt mein Vater. der soll schon mal was mitbringen. ich weiß nämlich jetzt auch (nicht von ihm) das die Stroncatura in Kalabrien ein typisches Gericht für den 24.Dezember ist. La Vigilia di Natale. Aber nein. Beim bloßen Gedanken daran, streikt der Herr Peppinello. Am Heiligabend gibt es Pasta con le Vongole. Immer. In Kampanien….oder kommt das Gericht vielleicht doch aus, du-weißt-schon-woher????

P.s. Stroncatura schmeckt auch dem Fräulein Peppinella, das die Sardellen unsichtbar mit der Soße schmelzen. (was für ein blöder Satz.)

So. Das war Kalafrika, eins die erste. Es kommt noch mehr.