15. März 2011

12. März 2011

Fastenzeit: Minestra di rape e patate con pane fritto – Stängelkohl-Kartoffelsuppe mit gebratenem Brot oder: Wie eine hochgestellte Person römisch-katholischen Glaubens mir in den Rücken fällt.

Ich finde das Wort “Stängelkohl” ja immer noch ziemlich bekloppt.  Hier erst mal ein Foto davon. meine Bilder werden übrigens besser, weil ich zur Zeit in Herrn Peppinello’s Küche koche. Auf Gas wird alles besser. Das hat aber nichts mit den Fotos zu tun. Hiermit meine ich eher das Licht. In der Küche im Lädchen hat es wenig Tageslicht und viele Strahler an der Decke. Das stresst mich weniger beim Fotografieren.
Fastenzeit Rape e patate 023Geht doch, oder? Es hatte hier schon Schlimmere….
Zutaten für 4 Peppinellis:
  • 1 kg Cime di rapa (Stängelkohl)
  • 12 Kartoffeln in große Würfel geschnitten
  • 1 gewürfelte Zwiebel
  • 2 Knoblauchzehen
  • Olivenöl
  • Salz, Pfeffer, Peperoncino
und
  • 12 kleine Scheibe altbackenes Brot (am besten knochentrocken)
  • 200ml Milch
  • 1 Ei
  • Pecorino oder Parmesan
  • Salz und Pfeffer
Die Zubereitung ist eigentlich nicht weiter erwähnenswert. Die Rapa wird verlesen, gewaschen und kleingeschnitten. Die Kartoffeln geschält und gewürfelt. Nachdem Du in einer Kasserolle die Zwiebeln und den Knoblauch in reichlich Olivenöl angedünstet hast, gibst Du den Kohl und die Kartoffeln dazu und gießt etwas Wasser und Brühe (bei uns von der Rindfleischsuppe übrig) an.
Während die Minestra vor sich hin köchelt, reibe ich schon mal den Käse. Auftritt Herr Peppinello “Schrägstrich” - 1.Akt. Rapa findet er grundsätzlich lecker. Mit Salsiccia. Oder wenigstens mit Speck. Sagt er. Und ich sage, ich weiß, kommt aber gar nicht in die Tüte. Wir sind katholisch und ziehen das jetzt durch.
Ich stelle die Flamme unter der Minestra auf klein und den Deckel schräg. Dann verquirle ich das Ei mit dem Parmesan und weiche die Brotscheiben in Milch ein. Wichtig: Das Brot muss älter als alt sein. es saugt sich sonst beim Braten zu sehr voll. dann erhitze ich Olivenöl in einer Pfanne und wälze die Brotscheiben in der Ei-Käse-Masse.
“Außerdem esse ich am Sonntag soooo ein Rumpsteak”, sagt der Herr Peppinello. Dabei zeigt er zwischen Daumen und Zeigefinger ungefähr 5 Zentimeter an, “sonntags ist nämlich Fastenbrechen. Ich weiß das von höchster Stelle. Ich will wissen, ob er am Mittwoch eine Audienz bei Benedikt dem Sechzehnten hatte.
“Nein”, antwortet er lapidar, “bei meiner Mutter.”
Fastenzeit Rape e patate 013
Natürlich hat sie Recht und ich hasse sie dafür. Ich gebe die Brotscheiben in die Pfanne und brate sie von beiden Seiten goldbraun. Der kleine Peppinello kommt in die Küche, zieht die Brauen hoch und fragt: “Schnitzel?”
“Am Sonntag”, antwortet sein Vater.
Also, mahl ehrlich. Ich kann eh schon nichts Spektakuläres. Und ohne Fleisch, wird das Ganze hier bis Ostern noch banaler. Aber:
Es gibt spektakuläre Neuigkeiten von Olli und Svenja. Sie sind “gedätet” Heute Abend. Svenja rasiert sich gerade die Beine (man weiß ja nie, was passiert), und überlegt, ob sie sich die Haare mit dem Lockenstab ein wenig verrucht stylen soll. Gerade hat Oli sie angerufen. Er guckt gerade noch Fußball mit “seinen Jungs”, und freut sich schon auf später. (Anm. der Bloggerin: Er guckt natürlich allein. Er hat keine Jungs, die mit ihm Fußball, oder sonst was gucken wollen.)
Frauke und Bernhard beschließen zur gleichen Zeit, dass sie ein weiteres Kind bekommen wollen. (Weil das mehrere Blogger-Kollegen einer ihnen völlig unbekannten Irren so möchten). Frauke und Bernhard bitten Gaya,  die Große Mutter Erde und einige weitere verquaste, esoterische Instanzen um deren Segen und besiegeln das Ganze mit einigen tiefen Tönen aus der Klangschale.
Hier entstehen nun weitere Fragen: Wird Oli Svenja heute noch flachlegen?  Was trägt Svenja drunter?
Und: Wird Frauke daheim im Kreise ihrer Lieben entbinden, mit Hilfe einer befreundeten Hebamme, welche in ihrer Freizeit Runen wirft und Mandalas kreiert?
Wir werden es erfahren.

9. März 2011

Tagliolini con barba di frate – Tagliolini mit Mönchsbart, oder: Beginn der Fastenzeit

Gestern.

Und dieses Mal mache ich ernst. Es gibt hier bis Ostern kein Fleisch mehr. Das Fräulein Peppinella nimmt meine Ankündigung gelassen hin, will heißen, sie ignoriert meine Ansage schlichtweg. Dem kleinen Peppinello kommt das gelegen. Er mag am liebsten Obst, Gemüse, Salat, Brot. (Ich lüge nicht. Es gibt Kinder, die sich freiwillig so ernähren, auch wenn sie nicht Nils und Nele sind).

Für den Herrn Peppinello ist das Auslegungssache, mit der Fastenzeit. Rindssuppen, Tafelspitz und Beinscheiben zählen für ihn nicht zur Kategorie Fleisch. Scharfe Salami und Schinken oder Speck auch nicht. Worauf hin ich korrigiere.

“Gar kein Fleisch. Fisch schon, oder mal eine kleine Wachtel, aber sonst: niente, caro!”

Er sagt: “Spinnst Du?” “Nö.” Es entbrennt ein längerer Disput über die Vor- und Nachteile des Fastens. Aus religiösen Gründen. Aus gesundheitlichen. Einfach mal so. Das Gespräch endet mit einem ätzenden: “Hör’ mal lieber auf zu qualmen.” (an mich gerichtet).

Ich schnappe meine Einkaufstasche und keife beim Verlassen des Hauses etwas Fieses (Berlichingen). Weil ich ja nun nicht zum Metzger muss, fange ich beim Türken an, wo ich Rapa (Stängelkohl) kaufe und Quitten. Und Auberginen. Ich habe nämlich für die nächsten Tage schon so eine Art Essensplan ausgearbeitet. Im Planen bin ich immer groß. In der Umsetzung meist nicht so. Danach fahre ich zu meinem Lieblings-Gemüsehändler. Da steht dann neben horrend teuren Artischocken der Mönchsbart.

Barba di frate 025

Mein herz schlägt Purzelbäume. Barba di frate (oder auch Agretto) habe ich hier noch nie, nie, nie gesehen. Kenn ich nur aus Italien. Frische Tagliolini mit Speck und Tomaten dazu. Großartig. Hundert Gramm kosten zwei Euro. Naja. Ich nehme ein Bündelchen zu 300 Gramm.

Zutaten für vier Peppinellis:

  • 300g Mönchsbart
  • 2 Tomaten
  • 1 Knoblauchzehe
  • 1 Zwiebel
  • etwas gewürfelter Speck (gestern war noch keine Fastenzeit)
  • Olivenöl
  • Salz und Pfeffer
  • Pecorino toscano zum Reiben
  • 480g von Herrn Peppinellos Tagliolini freschi

Zurück zu Hause, wedele ich stolz mit dem Kraut vor Herrn Peppinellos Nase rum. Er steht an seiner Nudelmaschine (kommt mir gelegen). Hat aber jetzt richtig schlechte Laune. Er isst den Scheiß nicht, sagt er, ohne hin zu schauen. Und ignoriert mich. Ich sage: “Um so besser!” Dann hole ich die Kamera, fotografiere seine Nudelproduktion. Er sieht so aus, als würde er mir gleich an die Gurgel gehen. das wiederum ignoriere ich. So arbeiten wir wortlos nebeneinander.

Der Mönchsbart hat an den unten kleine holzige Enden mit sandigem Wurzelwerk, und muss also gründlich gewaschen werden. Danach blanchiere ich ihn so ungefähr für 10 Minuten in leicht gesalzenem Wasser. Das Kochwasser bewahre ich für die Nudelsoße auf. In einer Kasserolle dünste ich die Zwiebeln und den Knoblauch in Olivenöl und gebe die gewürfelten Tomaten, sowie den Speck hinzu. Außerdem setze ich schon mal das Nudelwasser auf. Der Herr Peppinello beobachtet alles aus dem Augenwinkel. Schließ grabscht er in das Sieb, indem das Gemüse abtropft. Und probiert. Seine Augen weiten sich.

“Sag’ mal, das ist doch…? Wo hast Du das denn her?” ich grinse selbstzufrieden. “Ob das hier überhaupt jemand kennt?”, sinnt er nach. Ich habe natürlich schon gegoogelt, und verweise auf Robert und Jutta Lorbeerkrone. Der Herr Peppinello bloggt zwar nicht. Robert ist ihm jedoch geläufig. (“Einer der beiden Schweizer. Der Ältere, nicht der Italiener”. So merkt er sich das.) Friede kehrt ein.

Als das Nudelwasser kocht, gibt er die Tagliolini hinein. Ich gebe die Barba die frate zu den anderen Zutaten in die Pfanne und gieße etwas von der Kochbrühe an. Wir können es kaum erwarten.

Barba di frate 048

Jetzt schnell die Pasta abseihen und kurz in der Pfanne mit schwenken. Finito

Weil alles so  schön ist, greif ich das Fasten-Thema für die nächste Stunde nicht mehr auf.  Beim Essen versuchen wir zu beschreiben, wonach Mönchsbart schmeckt. das Fräulein Peppinella mein schließlich, dass es eine Ähnlichkeit hat, mit den Blättern und Blüten von Zucchini. Der kleine Peppinello tippt auf den iberischen Meeresspargel, mit dem wir unsere Doraden füllen.Und das stimmt beides, oder auch nicht. Finden wir.

Jetzt halt mal die Augen auf, und guck, ob es bei die auch Mönchsbart gibt. Oder vielleicht “Cuccuziedde” e “tenerumi”. davon träume ich immer. Wenn ich mal welche finde, siehste was es ist.

den

6. März 2011

Chiacchiere di Carnevale – Karnevalsgebäck oder: Der lila Latzhosenmann bekommt ernstzunehmende Konkurrenz.

Hierzulande (also im Rheinland) gibt es zu Karneval Muzenmandeln, oder auch, vielleicht etwas weniger bekannt, Muzenblätter. Was für ein langer Satz, mit vielen Kommas. Ich werde das Bloggen schon noch verlernen. Italien ist jetzt nicht unbedingt Düsseldorf, Köln oder Rio de Janeiro. Trotzdem wird in Italien zu Karneval gebacken. Chiacchiere, auch Cenci oder Sfinci genannt.

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“Chiacchiere” bedeutet übersetzt Geschwätz, Gerede, Plauderei. Gefällt mir natürlich ausnehmend gut, die Bezeichnung. Trifft sie doch hier wieder mal zu,. Im weiteren Verlauf des Posts werde ich mich wohl erneut in Nichtigkeiten und Gelaber ergehen.

Besser erst mal die Zutaten:

  • 400g Weizenmehl
  • 30g Zucker
  • 40g Butter
  • 3 Eier
  • Schale von einer Zitrone (abgeschabt)
  • 2 kleine Gläser Grappa
  • 1 Prise Salz
  • Puderzucker zum Bestäuben
  • Öl zum Frittieren

Die Chiacchiere werden in Fett frittiert. Und mit einem fetten Hals. Den kriege ich nämlich dabei, weil der Herr Peppinello währenddessen permanent im Hintergrund rummöppert. “Das stinkt wie die Pest nach Frittenbude hier.” und: “Wer soll den ganzen Mist überhaupt essen?”

Sind wir Komplementär-Menschen? Ich weiß, dass es diesen Ausdruck eigentlich gar nicht gibt. Ich hab den einfach erfunden. So wie Komplementärfarben. Ist mir in Verbindung mit dem Elternzeit-Müslimann, falls du dich an den erinnerst, eingefallen. Der spukt mir nämlich immer noch im Kopf herum. Nein. Ich bin nicht in Liebe zu ihm entbrannt und werde auch nicht seine Schamanen-Gefährtin. Ich habe ihm und seiner erfundenen Frau aber zwischenzeitlich Namen gegeben. Ich denke an Holger oder Bernhard und Frauke oder Ulrike. Keine Ahnung warum. Die Kinder könnten Nils und Nele heißen. Jason-Justin und Shania-Samira finde ich unpassend. Nils geht in den Waldkindergarten, wo er sich im Matsch wälzt und Eicheln isst. Nele besucht die Waldorfschule, wo sie mit gesichtslosen Puppen spielt und ihren Namen tanzt.

Aus den angegebenen Zutaten (außer Puderzucker und Öl) knete ich einen Teig, den ich für ungefähr zwei Stunden im ruhen lasse. Danach teile ich ihn in drei Teile und walze ihn bis auf die dünnste Stufe durch meine heißgeliebte Atlas Marcato. Ich bestäube die Platten mit ein wenig Mehl und schneide sie mit einem Teigrädchen in Streifen.

Dabei überlege ich, dass ich mich später bei allen Menschen namens Oliver, Svenja, Frauke, Holger und Bernhard nebst Sprösslingen entschuldigen sollte. (Ich sehe die Fragezeichen in deinem Hirn: Ist die jetzt bekloppt, oder ich???…..)

Ich weiß, dass ich merkwürdig bin.

Etliche Stunden verbringe ich damit, die kleine Öko-Familie in den Urlaub zu schicken. Sie fahren mit ihrem klapprigen VW-Bus in die Alpen, und helfen dort einem Bergbauern. Das gibt ihnen nämlich viel. Sie schätzen es, im völligen Einklang mit der Natur zu leben, und das ihren Kindern zu vermitteln. Wertschätzung, nennt Frauke das. Bernhard nickt dazu selbstgefällig.

Kurzurlaube an den Wochenenden nennen sie Auszeiten. Sie fahren dann in so eine Art mittelalterliches Lager, wo Bernhard sich verkleidet wie Till Eulenspiegel. Frauke geht als weise Frau, Typ Morgan La Fay. Nils und Nele kloppen sich vor dem Lager mit dem Nachwuchs von irgendwelchen Hobby-Bogenschützen und Heilerinnen. Das ist ihr persönliches Shangrila.

Ständig fallen mir neue verschrobene Sachen ein. Bis ich Oliver und Svenja entdecke. Komplementär zur Müsli-Familie. Also Komplementär-Menschen. Ich entdecke die beiden bei einem In-Italiener in Düsseldorf. Natürlich heißen sie wahrscheinlich anders. Ich bin so frei, und gebe ihnen passende Namen.

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Hier die Teigstreifen. So ungefähr zwei cm breit.

Ich kann nicht gegen derartige Auswüchse meine Fantasie an. Das macht mein Hirn, ohne dass ich es will. Wie eine Endlos-Spirale.

Zuerst fallen die beiden mir gar nicht auf. Sie sind nämlich nicht so bunt wie Bernhard, mit der lila Hose, oder Frauke mit den hennaroten Haaren. Ich bin allein auf Shopping-Tour. Es ist Mittag. Die beiden setzen sich an den Nebentisch. Er trägt Anzug und Krawatte. Sie ein graues Kostüm, Bluse mit hochgestelltem Kragen. Und ein Tuch um den Hals geknotet. Und Perlenohrringe. Ich hätte halt einen Knopf mehr von der Bluse offengelassen. Aber wie gesagt: Sie haben wohl gerade Pause. Bank oder Versicherung oder sowas. Da gehört sich ein Riesenausschnitt nicht. Oder?

Die Chiacchiere werden in einer tiefen Pfanne in viel Öl frittiert. Das geht fix. Im heißen Fett blähen sich die Teil ruck zuck auf. Vorsicht, ab und zu spritzt es. Ich verbrenne mir die Pfoten. Die Frittiergänge nehmen allerdings kein Ende. Es sind wirklich sehr viele. Die Ganze Küche stinkt. Und ich verbrauche gefühlte acht Rollen Küchenpapier zum abtropfen lassen. Im Hintergrund mault der Herr Peppinello ob der Riesenmenge Gebäck. Wer soll das alles essen. (Anm. der Bloggerin: Er. Später.)

Zurück zu unseren zwei Turteltäubchen in Mittagspause: Okay, alles ganz normal. Jetzt geben sie ihre Bestellung auf. Rate was sie nimmt? Einen entkoffeinierten Latte macchiato mit Süßstoff. Er nimmt eine große Apfelschorle, bitte mehr Wasser und wenig Apfelsaft. Ein Traum. Ich bemühe mich, nicht hin zu glotzen, blättere in meiner Zeitung. Wippe mit den Füßen. Da glotzt er rüber. Ich spüre das. Es sind meine Schuhe. Stiefeletten mit sehr hohen Absätzen, die nach längerer Zeit sehr, sehr weh tun. Was neben Hunger und Durst der eigentliche Grund für meinen Zwischenstopp hier in diesem Laden ist. Oliver glotzt wie gesagt auf die Schuhe. Ich denke darüber nach, ihn zu fragen, ob er die mal geliehen haben will und gucke zurück. Natürlich schaut er sofort hektisch weg. Sie merkt das. Die Getränke kommen. “Grazie”, sagt er jovial zu dem jungen pomadisiertem Kellner. Der ist gar kein Italiener, sondern Slowene, aber das weiß Oliver wohl nicht. Sie ruft, gerade als der Kellner wieder weg ist. “Hallo…hallo”, und hebt die Hand. “Könnte ich bitte noch einen Tee haben. Roibusch oder Grünen, wenn Sie haben.” Wie gesagt, ein Traum.

Die beiden unterhalten sich über ihre Jobs. Sie sind wohl kein Paar. Kollegen in einer Bank, die ein Paar werden könnten. Oder vielleicht wollen. Wenn sie nicht so verklemmt wären. Ihre Abteilung befindet sich in einem anderen Gebäude. “Outsourct” nennt sie das. Mein Essen kommt. Er schlägt vor, das “man” ja auch eine Kleinigkeit zu sich nehmen könnte. Wieso “man”?  denke ich. Sie stimmt zu. Als der Kellner sich gerade wieder von meinem Tisch, der ja genau neben ihrem steht entfernt ruft sie wieder “Hallo…hallo”. Erneutes Handheben. Kleine weiße Hand mit silbrigem Nagellack und dezentem Ring mit Perle am Finger.

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Wir bestäuben die Chiacchiere mit Puderzucker. Ich möchte dir nicht vorenthalten, dass sie in Neapel in eine Schokoladensoße mit Namen “Sanguinaccio” getunkt werden. Heutzutage wird die mit geschmolzener Schokolade gemacht. Meine Schwiegermutter stellt ab und an die Hardcore-Originalversion her. Da kommt Schweineblut rein. Was man im ersten Moment gar nicht schmeckt. Der Abgang ist allerdings dann recht widerlich.

Zurück zum Mittagssnack. Ich liebe Menschen, die das Service-Personal zig Mal hin und her scheuchen. Der Slowene kommt mit geschmeidigem Hüftschwung zurück zum Tisch und sagt strahlend lächelnd: “Prego Signorina?” “Können wir was essen?”, fragt Oliver. Ich schlage hektisch die Hand vor den Mund um nicht laut zu lachen. Soll der Slowene jetzt entscheiden, ob “man” was essen darf, möchte ich am liebsten fragen. Der Kellner bringt daraufhin die Karte mit den Tagesgerichten und mir eine Weinschorle, die ich bestelle habe, bevor er noch mal laufen muss. Oliver öffnet erst sein Jackett und dann die Speisekarte.Er knackt mit den Fingern. Hat ja einen ganz schönen Bauch der Olli, dafür dass seine Arme so dünn sind. Untrainiert. Beide lesen. Er rückt seine Brille zurecht. Sie spitzt die Lippen. Ich versuche, ihre Gedanken zu lesen.

Das Rezept ist jetzt zu Ende. Ich bin aber noch nicht fertig.

Er denkt: Ich könnte Fleisch essen, oder Fisch. Aber die Preise hier, mein lieber Scholli. Da muss ich dann den Rest der Woche Butterbrote mitnehmen, dabei ist erst Montag. Andererseits schlägt sie ja vielleicht vor, das “man” getrennt bezahlt, dann wäre ich aus dem Schneider. Ich will ja nicht, dass sie sich zu irgendwas verpflichtet fühlt.

Sie denkt: Meine Güte, habe ich Hunger, dabei bin ich doch auf Diät. Meine Strumpfhose hat eine Laufmasche; hoffentlich sieht man das nicht. Ob er mich wohl einlädt?

Warum bin ich eigentlich so gehässig? Das sind wildfremde Menschen.

Schließlich bestellen sie. Er entscheidet sich für Tagliatelle alla puttanesca. Ich grinse. Er weiß bestimmt nicht, was puttanesca übersetzt heißt. Und noch eine kleine Apfelschorle. Diesmal vergisst er aber, das Mischungsverhältnis anzusagen. Sie möchte bitte nur einen Salat. Essig/Öl. Ohne Gurke, ohne Paprika und ohne Zwiebeln. Vielleicht auch ganz ohne Salat, denke ich. Der Slowene schreibt alles auf und geht. Und? Klar. Sie ruft. “Hallo…hallo…”. Wieder mit geschmeidigem Hüftschwung, diesmal aber nicht mehr ganz so strahlendem Lächeln kommt er zurück.”Prego Signorina?” Sie trinkt noch was, sagt sie. Ich weiß auch schon was. Wetten? “Ein stilles Wasser. Nicht aus dem Kühlschrank.”

Strike! Darauf hätte ich ein Vermögen gesetzt, liebe Svenja.

Während des Essens unterhalten sie sich über so hocherotische Dinge wie Bausparverträge, Renditen, festverzinsliche Wertpapiere. Er spickt jeden Satz mit Anglizismen. Ättätschment. Gebrieft. Taff. Wiwin. Sträääht. Außerdem macht er ständig diese lächerliche Gänsefüßchen-Geste: Ellbogen angewinkelt. Unterarm und Hände nach oben. Zeigefinger und Mittelfinger hoch und runter. Andere Satzzeichen spricht er aus. Er sagt irgendwas mit “Familie Schrägstrich Freunde”, wenn er auf “Freizeit-Modus” (O-Ton!) schaltet. Ich liebe solche Typen. Sie zieht beim Sprechen ein Schnütchen und sagt immer wieder: “Eks-ackt”. Ab und an treffen sich beider Hände am Brotkorb. Dabei schaut er ihr jedes mal schelmisch durch die Brillengläser in die Augen woraufhin sie die Beine übereinander schlägt. Svenja, denke ich. Du hast ne Laufmasche.

Dann schaut Oliver auf die Uhr. Schade. Die Pause ist vorbei. Aber: “Man” könnte sich ja mal privat sehen. Zur After-Hour. Oder so. Gute Idee, findet sie, worauf er beschließt die Rechnung für beide zu begleichen. “Einunddreißig Neunzig”, sagt der Slowene. Und Oliver meint darauf großzügig: “Machen sie bitte Zweiunddreißig.” “Grazie mille”, sagt der Slowene süffisant. Er schaut in meine Richtung und zwinkert grinsend. Ich sage: “Bring mir 'nen doppelten Espresso. Und einen Grappa. Einen Großen.”

Oliver hilft Svenja in den Blazer. Er glotzt wieder auf meine Schuhe. Ich simuliere einen großen Augenaufschlag. Oliver rückt seine Krawatte zurecht.

Ja. Vielleicht werdet ihr heiraten. Ein Reihenhaus kaufen. Mit Velux-Fenstern. Und Fußbodenheizung. Ihr werdet einen Sohn bekommen. Ein Weichei wie Olli. Svenja wird zwanzig Pfund zunehmen und Oliver wird heimlich Beate-Uhse-Filme schauen.

Wir werden es erfahren. Ich poste das jetzt. Helau.